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Prof.
Dr. Wolfgang Bock
Von
Hüten und Hütten - Kritik und Inszenierung moderner Architektur
in den Filmen von Jacques Tati
Zum
Vortrag: Der französische Filmemacher Jacques Tati gestaltet in seinen
Filmen besondere räumliche Szenarien: Zunächst dörflich
strukturierte Orte wie im "Schützenfest" (1946) und "Die
Ferien des Monsieur Hulot" (1952), bald aber auch viertelübergreifende
moderne Stadtszenarien wie in "Mein Onkel" (1957) oder ganze
künstliche Städte im Stile der internationalen Moderne wie in
"Playtime" (1967). In diese Räume hinein platziert er Figuren,
die zwischen den Mauern der Häuser wie Fremdkörper wirken, sie
bewohnen die urbanen Orte nicht, sondern kollidieren mit ihnen und versuchen
sich ihnen zu assimilieren, was mehr oder weniger gelingt. Tati wird,
weil er vom komischen Fach ist, in seiner Kritik und Darstellung der Beziehungsverhältnisse
der Menschen untereinander und zu den äußeren Räume oft
nicht ernst genommen. Es lässt sich zeigen, dass gerade die witzige
Darstellung einen besonderen Zugang zum Geist besitzt, der sich ernsthaften
Darstellungen oft verschließt - Witz und Weisheit gehören etymologisch
zusammen.
Tati
ist trotz seiner Kritik der modernen Architektur (in Zusammenarbeit mit
dem Maler Jacques Lagrange) auch ein besessener Filmarchitekt, dessen
Kulissen und Stadtszenarien sich durch eine außerordentliche Präzision
und Ästhetik auszeichnen. Der Handlungsaufbau tritt gegenüber
der Architektur zurück. Stattdessen werden groteskes Wohnen in einer
technisierten Welt, Träume und Konzepte von Architekten und Städtebauern
gezeigt, die häufig in Gegenüberstellung zu alten, romantischen
Architekturen und ihrer Wirkung auf die Protagonisten kollidieren. Die
Konstellation in welche Tati seine Figuren - und hier insbesondere Monsieur
Hulot mit Hut und Pfeife - bringt, ist bis heute paradigmatisch für
die Moderne.
Prof.
Dr. phil. Wolfgang Bock, geb. 1957, Promotion und Habilitation an der
Universität Bremen, wo er von 1990 bis 2001 in den Fächern Germanistik,
Kulturwissenschaft, Kunst, Pädagogik und Gesundheitswissenschaft
unterrichtete. Er war sechs Jahre lang Hochschuldozent für Theorie
und Geschichte der Visuellen Kommunikation an der Fakultät Gestaltung
der Bauhaus-Universität Weimar. Seit 2007 Gastprofessur an der Staatlichen
Universität von Rio de Janeiro (UNIRIO), Brasilien.
Publikationen über Neue Mythologie, Postmoderne, Rechtsradikalismus,
Bildungstheorie und Neue Medien. Wolfgang Bock ist unter anderem Mitherausgeber
der "Zeitschrift für kritische Theorie".
Jüngste Veröffentlichung: "Medienpassagen. Der Film im
Übergang zu einer neuen Medienkonstellation. Bild, Schrift, Cyberspace
II", Bielefeld 2006
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